Endlich wieder live – Workshops und Experten-Wissen zu Polycythaemia vera, Myelofibrose und chronische myeloische Leukämie
Sie sind alle da: Die Frau, Mitte vierzig, die vor ein paar Jahren an Polycythaemia vera (PV) erkrankt ist. Der Mann, Ende sechzig, der seit geraumer Zeit mit der Diagnose Myelofibrose (MF) zurechtkommen muss. Die Partnerin eines „CML-Patienten“, der dank einer modernen, zielgerichteten Therapie „seine“ chronische myeloische Leukämie gut im Griff hat und die hier als Angehörige erfahren möchte, wie sie mit den Spuren besser umgehen kann, die die Diagnose „Blutkrebs“ gleichfalls in ihrer Biografie hinterlassen hat.
Seit sechs Jahren organisiert NOVARTIS die Informationsveranstaltungen zu „Myeloproliferative Neoplasien“ – kurz MPN-Patient*innentage – in ganz Deutschland. Rund 50 Anmeldungen von Betroffenen, Angehörigen und Interessierten hat es für Samstag in Saarbrücken gegeben. Alles wie immer. Und doch ist das Ereignis etwas Besonderes: nach Beginn der COVID-19 Pandemie in Deutschland Anfang März 2020 trauen sich die Betroffenen mit seltenen Erkrankungen des blutbildenden Systems mehr und mehr zurück in die Öffentlichkeit.
„Nach allem, was wir überblicken, sind unsere Patienten erfreulich gut mit den enormen Herausforderungen durch SARS-CoV2 zurechtgekommen“, zieht der Schirmherr des Patient*innentages, Privatdozent Dr. med. Julian Topaly Zwischenbilanz. „Erste wissenschaftliche Auswertungen weisen darauf hin, dass zum Beispiel bei CML-Patienten keine COVID-19 bedingte Übersterblichkeit zu beklagen ist.“

Fotos: Medizinreporter André Berger
Zu den möglichen Gründen zählt der Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Onkologie des Caritasklinikums Saarbrückens die besonderen Vorsichtsmaßnahmen, die zu Beginn der Pandemie ergriffen wurden. Und anschließend die frühzeitige Möglichkeit zur Impfung. „Ohne den besonderen Einsatz der Hausärzte für ,ihre‘ MPN-Patienten wären wir bislang vermutlich deutlich schlechter durch die Krise gekommen“, betont Topaly.
Dabei ist für den Privatdozenten, der am Universitätsklinikum Heidelberg zur CML geforscht hat und dort bis heute lehrt, die Pandemie noch nicht zu Ende. „Anders als im Alltag der Gesunden, streut uns das neue Corona-Virus bis heute Sand ins Klinik-Getriebe. Wir testen uns weiter regelmäßig. Immer wieder müssen Mitarbeiter in Quarantäne. Moderne Kommunikationswege via Videokonferenz sind eine Entlastung, helfen uns im Umgang mit den Patientinnen und Patienten aber nur begrenzt weiter – der persönliche Patient-Arzt-Kontakt ist in der Onkologie durch nichts zu ersetzen. Blutwerte können nicht in einer Zoom-Konferenz erhoben werden.“

Ganz ähnlich die Erfahrung der Besucherinnen und Besucher des MPN-Patiententags in Saarbrücken. „Ein Glück, dass in den Hochzeiten von SARS-CoV2 nicht alles einfach eingestellt worden ist“, erinnert sich Dr. Cornelia Borowczak. „Bereits 2020 fanden die ersten virtuellen Patiententage statt. Später auch hybride Veranstaltungen, bei denen die Expertenvorträge, Vorstellungen der Selbsthilfe-Organisationen und die Krankheits-spezifischen Workshops sowohl vor Ort verfolgt werden konnten als auch zu Hause am Laptop oder Tablet“, so die Sprecherin der Selbsthilfe Leukaemie-online.de. „Natürlich ist dieses Format ein wenig unpersönlicher. Im Gegensatz zu Präsenz-Veranstaltungen werden auch weniger Fragen gestellt. Außerdem ermüden die Augen schneller vor kleinen Bildschirmen als live vor Ort.“
Eine Teilnehmerin des Polycythaemia vera-Workshops fasste es später so zusammen: „Als ich zuhause losfuhr, stand für mich fest, dass ich mich heute nicht selbst zu Wort melden werde. Ich wollte einfach nur den anderen Betroffenen und den Experten zuhören. Doch durch die besondere Atmosphäre während des Vortrags und durch die Fragen der anderen ermutigt, meldete ich mich einfach auch. Nicht einmal; nicht zweimal; gleich drei Mal. Dieser Tag hat sich wirklich gelohnt.“